Kunst ist öde: Entweder handelt es sich um erklärungsbedürftige bis hässlich anmutende Plastiken oder die ollen Ölschinken, die in Museen herumhängen. Das ist die Sichtweise mancher Jugendlicher. Birgit Hauska und Nina Waibel haben es sich zur Aufgabe gemacht, Jugendlichen Kunst näher zu bringen, indem sie vermitteln, dass man sich mit Kunst eine eigene Welt erschließen kann. Das Buch wendet sich an Jugendliche, die auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt sind und leitet sie dabei an, die Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu sehen. Der Weg, auf dem die Leser lernen, ihre eigene Welt zu gestalten, ist in sechs künstlerische Schritte unterteilt, bei denen nicht nur das Smartphone, sondern auch Tablet, Digitalkamera verwendet werden können, sondern auch die eigenen Sinne für Kunst geschärft werden sollen.
Im erweiterten Vorwort wird erklärt, dass man die 25 Künstlerideen in beliebiger Reihenfolge umsetzen kann, aber hinter der Reihenfolge auch ein System steckt: Nach der Schulung von Wahrnehmung, Experimentierfreude und Fantasie als Standbeine der Kreativität geht es um Selbstreflexion und Eigensinn. So kommt der Leser zu einer eigenen Handschrift und einem eigenen Stil in Sachen Kunst. Zu guter Letzt geht es im Kapitel „Intervention“ um die kreative Einmischung in die Weltgestaltung und das Finden einer eigenen Position im Dasein und der Gesellschaft. Das klingt erstmal hochgestochen und verlangt eine Menge Einsatz und Ausdauer, aber bekanntlich ist ja der Weg das Ziel.
Bei den ersten drei Aufgaben geht es um verschiedene Möglichkeiten, Bilder und Collagen entstehen zu lassen. Die vierte und fünfte Aufgabe widmet sich Geräuschen und zeigen, wie man auch mit alltäglichen Geräuschquellen Musik machen kann und wie man mit einem selbstgebauten Detektor elektromagnetische Wellen hörbar machen kann.
Bei der Lichtmonsteridee braucht man den Fernauslöser oder einen Helfer, der im richtigen Moment die Kamera auslöst. Die Tagesvariante ist „Das Tier aus der Tiefe“: Bei dieser Aufgabe für Fortgeschrittene geht es darum, mit Stop-Motion-Technik einen Film zu drehen, in dem ein Tier, beziehungsweise das Foto eines Tieres an einem Ort, wo man es nicht erwartet, herumkriecht. Dazu werden die Grundlagen dieser Filmtechnik erklärt. Die Idee wurde von den Medienkünstlerinnen Jie Lu und Kerstin Gramberg beigesteuert, die auch in einem Interview Rede und Antwort stehen und dort gute Tipps für vermeintlich langweilige Museumsbesuche mit den Eltern geben.
Weiter hinten folgen sogar Anregungen für Street Art im Banksy-Stil und das Selfie wird mit verschiedenen Abwandlungen zur Kunst erklärt. Im Zusammenhang mit Street Art und der Nutzung fremder Bilder wird auch deutlich auf das Copyright hingewiesen. Von Tumblr, Pinterest und weheartit ist man es zwar gewöhnt, die Quellen nicht anzugeben, aber das ist falsch. Gut, dass die Autorinnen als Medienprofis gleich damit aufräumen.
Die letzten beiden Ideen liefern Stoff für künstlerische Happenings auf offener Straße. Wer das Buch durchgearbeitet hat, wird dann sicher Spaß an der Umsetzung haben, weil dann genug Erfahrung da ist. Hier darf man sich nicht vom Umfeld beirren lassen, was sicher einfacher ist, wenn man in Köln und nicht in Stuttgart, Buxtehude oder Pusemuckel unterwegs ist. Wer sich schon in der Bahn beim Lesen oder Whatsappen angestarrt fühlt, wird beim Happening möglicherweise nervös. Im Zweifelsfall macht man das dann eben im Urlaub, wo einen eh keiner kennt und wo man nach ein paar Tagen wieder verschwunden ist.
Im Buch werden die Leser aufgerufen, unter dem Hashtag #wirmachenunsdiewelt ihre Kunstwerke zu zeigen. Leider gibt es bisher auf Instagram keinen Post mit diesem Hashtag zum Thema, der nicht von Rosa, einer der beteiligten Künstlerinnen, stammt. Das ist schade, weil Insta es uns so einfach macht, Bilder mit der Welt zu teilen und miteinander darüber zu sprechen. Eigentlich müssten wir Blogger, die über das Buch berichtet haben, mit gutem Beispiel vorangehen.
Weil ich als Kind und Null-Bock-Teenie oft mit ins Museum musste und lieber Bücher gelesen habe, während die Erwachsenen unter Ahs und Ohs die „Ölschinken“ betrachtet haben und mir für mein jüngeres Ich auch dieses Buch wünsche, kann ich es als Ostergeschenk empfehlen. Wer also einem Smombie-Teenager Möglichkeiten zum Ausdruck geben und ihm oder ihr die Tür zu schlauer Beschäftigung mit Kunst öffnen möchte, dem sei dieses Buch angeraten. Kunstlehrer werden in diesem Buch auch fündig und können ihre Klassen im (manchmal ungeliebten und unterschätzten) KuMuTu-Fach mit neuen Projektideen überraschen. Obwohl sich das Buch vorrangig an Jugendliche richtet, ist es auch für alle anderen Kunstinteressierten geeignet, die selber aktiv werden wollen und für die Kunst nicht nur aus „Ölschinken“ besteht.
Hauska, Birgit; Waibel, Nina: #wirmachenunsdiewelt. Oberhausen: Athena Verlag 2016. 208 Seiten, Broschur. 19,95€